Mittwoch, 26. Mai 2021: Nachsitzen
Es ist Freitagmittag, 14 Uhr. Eine junge Schülerin betritt den Raum, in dem die nächste Unterrichtsstunde des Oberstufenkurses stattfinden soll. Eine Kollegin hat mich gebeten, ihre Schülerin beim Nachsitzen zu beaufsichtigen, und so setze ich sie in den kleinen Raum nebenan. Am Ende der Stunde packe ich meine Sachen zusammen, schicke meinen Kurs ins Wochenende und verlasse das Klassenzimmer. Zaghaft klopft es an der Tür. „Wie peinlich! Wie konnte dir das nur passieren?“, schießt es mir durch den Kopf. Ich hatte die Nachsitz-Kandidatin ganz vergessen!
Im Trubel meines Schulalltags zeigt sich meine Vergesslichkeit, trotz aller Vorbereitung, ab und an schonungslos: vergessene Kopien, falscher Klassenraum; der Einkaufszettel liegt noch zu Hause. Jeder von uns hat schon Situationen erlebt, in denen er etwas vergessen hat – das ist menschlich. Es ist kein schönes Gefühl, diesen Umstand erklären und lösen zu müssen. Doch wie viel unangenehmer ist das Gefühl, wenn man merkt, dass man selbst vergessen wurde! Angst, Selbstzweifel und Wut machen sich dann in einem breit. Man ärgert sich darüber, so wenig wertgeschätzt zu werden.
Fragt man eine Mutter, so ist es eigentlich unvorstellbar, dass sie ihr Kind vergessen würde. Die Erfahrungen der Schwangerschaft und Geburt sind zu intensiv. Für eine Mutter ist es unvorstellbar, nicht an ihr Kind zu denken. Ihr ganzes Sein wird ja von dem kleinen Wesen geprägt.
Sollte es aber doch einmal vorkommen, wie unser Tagesvers sagt – wie wohltuend ist es dann zu wissen, dass Gott so anders ist als wir Menschen! Er versäumt uns niemals, wenn wir ihm unser Leben anvertrauen. Was für eine Zusage!
Ann-Christin Bernack
- Wann haben Sie das letzte Mal eine wichtige Sache einfach vergessen?
- Nirgendwo sonst erfahren wir eine solche Wertschätzung wie bei Gott.
- Psalm 139,1-16